8 ½ Trends zur Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft

Klimawandel und Energiekrise stellen die Baubranche vor große Herausforderungen. Mehr denn je ist in der Bau- und Immobilienwirtschaft Nachhaltigkeit gefordert, um Ressourcen und Umwelt zu schonen und so einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die IG Lebenszyklus Bau ist sich dieser Verantwortung bewusst und hat sich detailliert mit dem Thema Nachhaltigkeit befasst. Die Ergebnisse hat die IG Lebenszyklus Bau in ihrem neuen Trend-Report „8 ½ Trends“ zusammengefasst und im Rahmen ihres 12. Kongresses am 15. November 2022 in Wien vor rund 150 Vertreter:innen der Bau- und Immobilienbranche präsentiert. Zu den Referenten zählte u.a. Rechtsanwalt Stefan Heid, Mitbegründer der IG Lebenszyklus Bau, der die Ergebnisse seines Arbeitskreises zu den Themen „Nachhaltigkeitsrecht“ und „Vergabe-Compliance“ vorstellte.

Die Interessengemeinschaft (IG) Lebenszyklus Bau widmet sich seit ihrer Gründung im Jahr 2012 den wichtigen zukunftsweisenden Themen der Bau- und Immobilienbranche. Dabei decken die Mitgliedsunternehmen den gesamten Bauprozess von der Planung über die Finanzierung bis zum Betrieb und Rückbau von Gebäuden ab. So konnte die IG Lebenszyklus Bau in den vergangenen Jahren Branchenvertreter:innen schon rund 50 Leitfäden an die Hand geben.

Dass die IG Lebenszyklus Bau ihren Schwerpunkt mit ihren Arbeitskreisen jetzt auf das Thema Nachhaltigkeit in der Bau- und Immobilienwirtschaft gelegt hat, liegt angesichts des Klimawandels auf der Hand. Die Ergebnisse werden im neuen Trend-Report „8 ½ Trends“ komprimiert zusammengefasst. Herausgekommen ist ein „optimistischer und konstruktiver Blick in die Zukunft“, so Wolfgang Kradischnig, Sprecher der IG Lebenszyklus Bau.

Die Herausforderungen, vor der die Bau- und Immobilienwirtschaft steht, lassen sich grob mit drei Schlagwörter umreißen: Klimaschutz, Verknappung und Social Impact. Um diese Aspekte zu beleuchten, hat die IG Lebenszyklus Bau mit Expert:innen aus diesen Bereichen intensiv zusammengearbeitet: Herausgekommen sind die „8 ½ Trends“.

Zu den einzelnen Trends:

1. Kein Bauen ohne Klimaresilienz

Der Klimawandel lässt sich nicht mehr leugnen und wir sind mittendrin. Umso dringlicher ist es beim Bauen von Gebäuden und Stadtquartieren Klimaschutz, CO2-Ausstoß und den schonenden Umgang mit Ressourcen zu beachten. Hierzu haben u.a. die Vereinten Nationen oder die EU schon diverse Pläne erstellt und zu mehr Klimaschutz aufgerufen. Wie es gelingen kann, die Theorie auch in die Praxis umzusetzen, wird hier beleuchtet.

2. CCR – Corporate Climate Responsibility

Corporate Climate Responsibility, kurz CCR, umfasst die Verantwortung der Unternehmen, klimaschonend zu arbeiten und den eigenen CO2-Ausstoß zu reduzieren. Möglich ist dies z.B. durch den Einsatz von nachhaltigen Baustoffen, Produkten und Energiequellen. Unternehmen muss klar sein, dass ein Überschreiten der CCR-Kriterien künftig nicht mehr finanziell durch CO2-Zertifikate ausgeglichen werden kann, sondern nur noch durch Einsparungen an anderer Stelle.

3. Vom Me-Project zum We-Project

Bauprojekte lassen sich nicht mehr im Alleingang abwickeln. Dazu sind Planungs- und Bewilligungsprozesse zu komplex geworden. Aktuell laufen viele Teilprozesse immer noch nacheinander ab, was Zeit und Geld kostet. Hier gilt es die Kräfte zu einem „Wir“ zu bündeln und Prozesse effektiver zu gestalten.

4. Mieten von Bauteilen und Baustoffen

Der Trend geht zum Teilen. Was bspw. beim Carsharing schon erfolgreich erprobt ist, lässt sich auf andere Branchen übertragen. So werden sich künftig auch Bauteile und Baustoffe mieten lassen. Das lässt sich u.a. schon bei Trockenbau-Elementen oder diversen Boden- und Wandoberflächen beobachten und wird sich fortsetzen, um so Rohstoffknappheit und steigenden Energiekosten zu begegnen.

5. Regionalisierung: Auf die Nähe kommt es an

Regionalität spielt z.B. im Lebensmittelhandel eine zunehmend große Rolle. Warum Lebensmittel oder andere Produkte um die halbe Welt verschicken, wenn der Händler aus der Region sie anbietet? Dieser Trend und das steigende ökologische Bewusstsein der Menschen schlägt sich auch in der Baubranche nieder. Auch hier wird es  vermehrt eine Rückkehr zu regionalen Baustoffen geben.

6. Das Viertelstunden-Quartier

Hinter der Idee des Viertelstunden-Quartierts steckt der Gedanke, alle wichtigen Besorgungen wieder zu Fuß in seinem eigenen Wohnviertel erledigen lassen – vom Bäcker bis zum Einkauf auf dem Markt. Das Auto wird dadurch überflüssiger und die Wohnviertel erhalten eine ganz neue Qualität.

7. Topfield-Developments

Die Städte sind alle dicht bebaut, Grundstücke sind kaum noch zu haben. In der Höhe gibt es jedoch noch Platz und so rücken Dächer von Supermärkten oder Gewerbehalle als unverbaute Flächen in den Blickpunkt. Durch eine Überbauung der Dächer entstehen neue Wohn- oder Büroflächen, ohne noch mehr Grundfläche zu versiegeln.

8. Biophilic Design

Die Natur rückt beim Bauen wieder mehr in den Vordergrund und wird einbezogen, sei es durch einen Ausblick ins Grüne oder die Verwendung natürlicher Baustoffe. Studien in den USA belegen, dass sich dies auch positiv auf die Gesundheit auswirkt. Aufgabe der Bau- und Immobilienwirtschaft wird es sein, die Natur zunehmend zu integrieren und z.B. Gebäude zu begrünen.

8 ½. Humanökonomie

Die Humanökonomie ist eher noch eine Vision als schon ein Trend. Deshalb gab es hier nur einen halben Punkt. Leider nur allzu oft wird deutlich, dass unser Wohlstand auch auf der Ausbeutung von Arbeitskräften in ärmeren Ländern basiert. Die Humanökonomie hinterfragt dieses Modell und stellt den respektvollen Umgang mit den Menschen in den Mittelpunkt. Ein Ansatz für einen respektvolleren Umgang ist das Lieferkettensorgfaltsgesetz, das zum 1. Januar 2023 in Deutschland in Kraft tritt. Das Gesetz besagt, dass Lieferanten nachweisen müssen, dass von der Rohstoffquelle bis hin zum Einsatz vor Ort soziale und ökologische Mindeststandards eingehalten werden müssen.

Der gesamte Trend-Report „8 ½ Trends“ steht hier zum Download bereit.