Diskriminierungsverbot auf Materialebene

Ein zentraler Grundsatz im Vergaberecht ist, dass der Auftraggeber die Gleichbehandlung wahren muss. Daraus ergibt sich das Diskriminierungsverbot auf Materialebene – es ist also nicht zulässig, spezifische Produkte oder Materialien unsachlich zu bevorzugen oder zu diskriminieren.

Unser Rechtsanwalt Thomas Kurz ordnet in der Österreichischen Bauzeitung eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ein. Der EuGH hatte in einem Rechtsstreit entschieden, dass das Vorschreiben eines bestimmten Materials zulässig ist, wenn es sich „zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand ergibt“.

Der Richtlinientext

Aus dem Richtlinientext scheinen zwei Dinge notwendig zu sein, um ein bestimmtes Material in einer Ausschreibung nennen zu dürfen. Zum einen muss die Erwähnung notwendig sein, um den Auftragsgegenstand „hinreichend genau und allgemein verständlich“ zu beschreiben, und zum anderen muss der Zusatz „oder gleichwertig“ angehängt werden.

Der Fall: Einschränkung ohne Begründung

In dem aktuellen Rechtsstreit vor dem EuGH verlangte ein öffentlicher Auftraggeber Abwasserrohre aus Steinzeug oder Beton, ohne diese Wahl zu begründen. Ein Hersteller von Kunststoffrohren klagte dagegen, weil seine Produkte damit ausgeschlossen wurden. Der Auftraggeber argumentierte, dass die Materialwahl aus Nachhaltigkeitsgründen gerechtfertigt sei. Doch der EuGH stellte klar: Ein solches Argument muss bereits in der Ausschreibung klar formuliert und begründet sein. Es gab einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot auf Materialebene.

Die Folgen: Mehr Spielraum

Einschränkungen wie in dem oben beschriebenen Fall seien laut dem Europäischen Gerichtshof nur zulässig, wenn es sich „zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand ergibt“. Dann darf sogar ein bestimmtes Material vorgeschrieben und der Zusatz „oder gleichwertig“ weggelassen werden, ohne dass ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot auf Materialebene vorliegt.

Das Gericht führte Beispiele an, durch die sich eine notwendige Beschränkung auf spezifische Materialien, Produkte etc. ergeben könnte. Unter anderem sei eine derartige Einschränkung zulässig, „wenn es auf der vom öffentlichen Auftraggeber angestrebten Ästhetik oder der Notwendigkeit beruht, dass ein Bauwerk sich in seine Umgebung einfügt“.

Der EuGH interpretiert weiters den Richtlinientext  so, dass mangels einer zulässigen Beschränkung, die sich „zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand ergibt“, entweder von der Erwähnung eines bestimmten Materials überhaupt abgesehen oder zusätzlich zur Erwähnung von einem oder mehreren Materialien der Zusatz „oder gleichwertig“ hinzugefügt werden muss.

Durch diese Entscheidung kann sich der Spielraum für Auftraggeber, ein spezifisches Material zu fordern oder zumindest zu nennen, erweitert haben.

Lesen Sie hier den gesamten Artikel von Thomas Kurz in der Österreichischen Bauzeitung.