Heid & Partner analysieren das Regierungsprogramm 2020-2024 aus Sicht des Umweltrechts

Das türkis-grüne Regierungsprogramm wird den in den Medien wiedergegebenen positiven Beurteilungen durchwegs gerecht. Die „grüne“ Handschrift des Abkommens und die von der Regierung als notwendig erachteten Maßnahmen gegen den Klimawandel zeigen sich bereits in der Statistik. So wird der Begriff „Klima“ beinahe 250 mal, die Begriffe „nachhaltig“ und „Umwelt“ jeweils ca 100 mal im Regierungsprogramm erwähnt.

 

Aus umweltrechtlicher Sicht werden viele spannende Neuerungen angekündigt, die auch in Genehmigungsverfahren durchaus positive Effekte entfalten können. Die geplanten Änderungen sind durchwegs als positiv zu bewerten, wobei das Regierungsprogramm in weiten Bereichen jedoch sehr vage bleibt.

 

Von Interesse sind insbesondere die Kapitel 2 „Wirtschaft & Finanzen“ sowie 3 „Klimaschutz, Infrastruktur, Umwelt & Landwirtschaft“. Neben den dort angekündigten inhaltlichen Themen beabsichtigt die Regierung auch Verbesserungen des Verfahrensrechtes, die die Umsetzung von Projekten durchaus beschleunigen können.

 

Bereits jetzt lässt sich sagen, dass dieses Regierungsprogramm erhebliche positive Effekte auf den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie Wirtschaftstreibende im Bereich des Klimaschutzes haben wird. Steuerentlastungen wird es insbesondere im Bereich der Elektromobilität geben. Generell ist zu erwarten, dass die Regierung beabsichtigt Unternehmen, die „klimainnovativ“ arbeiten und forschen, mit unterschiedlichen „Zuckerln“ zu fördern.

 

Eine genaue Darstellung aller geplanten Maßnahmen würde den Rahmen dieses E-Mails sprengen. Im Folgenden werden die Highlights des Regierungsprogramms dargestellt. Sollten für Sie relevante Gesetzesvorschläge umgesetzt werden, werden wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden halten.

 

  1. Verwaltungsreform

Das große Thema jeder neuen Regierung der letzten Jahrzehnte ist eine Verwaltungsreform. Im gegenständlichen Regierungsabkommen finden sich dazu viele konkrete Maßnahmen, die zu einer deutlichen Beschleunigung der umweltrelevanten Verfahren führen könnten.

 

Bemerkenswert ist hier zuerst die geplante Kompetenzbereinigung zwischen Bund und Ländern, die vor allem Unternehmen, die in mehreren Bundesländern tätig sind oder in einem der nicht bereinigten Tätigkeitsbereiche agieren, regelmäßig Schwierigkeiten bereiten. Besonders betroffen ist hier etwa die Elektrizitätswirtschaft. Welche konkreten Kompetenzbereinigungen nunmehr erfolgen sollen, lässt das Regierungsübereinkommen offen. Ob eine derartige Kompetenzbereinigung überhaupt möglich sein wird, hängt vor allem vom Zustandekommen einer Verfassungsmehrheit ab.

 

Sehr erfreulich ist der Plan, Amtssachverständige grenzüberschreitend über mehrere Bundesländer tätig werden zu lassen. Erleichtert werden soll diese Maßnahme durch Schaffung einer zentralen Datenbank, in der die Fachgebiete aller in Österreich tätigen Amtssachverständigen abgebildet werden. Das große Problem an diesem Ansinnen ist jedoch der Umstand, dass der Sachverständigendienst österreichweit sehr stark ausgedünnt und ohne Schaffung zusätzlicher Stellen auch dieses sehr gute Ansinnen wohl im Endeffekt zahnlos bleiben wird.

 

Bereits seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts ist der Begriff „one stop shop“ gerne gehört. Ziel ist es für die Realisierung eines Vorhabens nur mehr ein Verfahren bei einer Behörde durchführen zu müssen. Das one stop shop-Prinzip ist bislang in Verfahren in den Bereichen UVP, AWG und GewO (zumindest in Ansätzen) realisiert. Sollte es der Regierung tatsächlich gelingen, das one stop shop-Prinzip für alle Projekte vorzusehen, würde dies eine deutliche Verfahrenserleichterung mit sich bringen. Damit würden baurechtliche und gewerberechtliche Genehmigungen ebenso in einem Verfahren konzentriert werden, wie etwa naturschutz-, elektrizitäts- und starkstromwegerechtliche Verfahren. Auch hier zeigt sich jedoch bereits jetzt, dass eine Realisierung nur mit Zustimmung einer Oppositionspartei möglich sein wird. Ein durchgehendes one stop shop-Prinzip bedarf einer Verfassungsmehrheit.

 

Konkreter ist das Regierungsabkommen jedoch insofern, als Maßnahmen angesprochen werden, die seit langem von Seiten der Praxis gefordert werden. So sollen die ÖNORMEN allgemein zugänglich gemacht werden, wodurch die Erstellung von Gutachten und deren Verständnis für Laien deutlich erleichtert würden.

 

Problematisch könnte allerdings die Abschaffung des Amtsgeheimnisses werden. Die Gefahren von Industriespionage werden damit erhöht. Auf der positiven Seite wäre allerdings eine höhere Verfahrenstransparenz zu verbuchen.

 

Durchaus interessant ist der Plan, UVP-Verfahren nach dem dritten Abschnitt (betreffend Hochleistungstrecken und Autobahnen sowie Schnellstraßen) in einem vollkonzentrierten Verfahren abzuhandeln. Der dritte Abschnitt war bislang in zwei Verfahren geteilt.

 

Eine deutliche Beschleunigung aller UVP-Verfahren beim BVwG könnte durch die geplante Unterstützung des BVwG in den Asyl- und Fremdenverfahren erreicht werden.

 

Generell wird im Regierungsprogramm die Erhöhung der Effizienz in verwaltungs­gerichtlichen Verfahren angesprochen. Die Erfahrung zeigt, dass die größte Effizienzsteigerungen jedoch durch mehr Personal bei den Behörden gelingen würde. Dies wurde jedoch nicht vereinbart.

 

Im Falle einer Säumnisbeschwerde soll der Behörde eine Nachfrist zur Erlassung des Bescheides eingeräumt werden. Bereits bislang war die Säumnisbeschwerde ein eher zahnloses Instrument, weil diese eher zu einer Verzögerung des Verfahrens, als zu einer Beschleunigung diente. Nicht zuletzt wurde Österreich auch von der Europäischen Kommission hinsichtlich der Möglichkeit einer Säumnisbeschwerde im Verfahren nach dem Standortentwicklungsgesetz sogar gerügt.

 

Aus verfahrensrechtlicher Sicht positiv hervorzuheben ist die geplante digitale Plattform für Verfahren. Diese soll einerseits der Einbringung von Einreichunterlagen auf digitalem Weg dienen, andererseits soll damit die Akteneinsicht relativ effizient abgehandelt werden. Auch Kundmachungsvorschriften können damit ohne großen Aufwand eingehalten werden. Allein dieses Projekt könnte zu einer deutlichen Verbesserung und Beschleunigung der Verfahren führen. Es bleibt abzuwarten, ob es hier tatsächlich zu einer bundesweit einheitlichen Lösung kommt. Bislang verfügen die einzelnen Bundesländer bekanntlich über unterschiedliche Plattformen zur Führung von elektronischen Akten, die wohl harmonisiert werden müssten.

 

  1. CO2-Steuern

An zahlreichen Stellen im Regierungsprogramm findet sich der Plan, das Steuersystem zu ökologisieren. Einer der Pläne ist die Einführung einer CO2-Steuer, die jene Bereiche erfassen soll, die nicht vom System des Emissionszertifikatehandels (non ETS-Bereich) erfasst sind. Das Regierungsprogramm ist hier noch sehr vage. Auch die Aussagen der Politiker zu diesem Punkt und die Meinungen in den Medien sind eher verhalten.

 

Die Umsetzung wird wohl nur in Übereinstimmung mit anderen Staaten der Europäischen Union möglich sein, wobei das Programm ergänzend die unionsweite Einführung von CO2-Zöllen vorsieht

 

  1. Klimaneutralität bis 2040

Bemerkenswert ist der Plan der Bundesregierung in Österreich die Klimaneutralität bis 2040 einzuführen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen fossile Energieträger endgültig nicht mehr eingesetzt werden. Eine Vielzahl von Maßnahmen sind dabei geplant. Aus Sicht des Umweltrechts ist hier insbesondere der Plan interessant, außerhalb des Zertifikathandelssystem ein System der Übertragung der effort sharing-Ziele auf den non-ETS Bereich anzustreben. Dies können einerseits kleine Anlagen, andererseits auch Anlagen sein, die bislang überhaupt noch nicht dem Zertifikatehandel unterliegen. Dies kann für einzelne Branchen enorme Mehrbelastungen mit sich führen.

 

  1. Erneuerbare Energieträger

Spätestens im Jahr 2020 soll in Österreich Strom zu 100% aus erneuerbaren Energieträgern hergestellt werden. Nach Annahme der Bundesregierung ist dafür ein Zubau von 27 TWh erforderlich (im letzten Regierungsprogramm wurden hier noch 30 TWh angenommen), die wie folgt aufgeteilt werden sollen:

 

  • Photovoltaik (11 TWh)
  • Wind (10 TWh)
  • Wasser (5 TWh)
  • Biomasse (1 TWh)

 

Dafür soll im 3-Jahresmittel eine Investition von einer Milliarde jährlich zur Verfügung gestellt werden. Die neue Ökostromförderung soll teilweise durch Investitionsförderung und teilweise durch gleitende Marktpreise erfolgen. Die Förderdauer wird auf 20 Jahre angehoben. Es bleibt abzuwarten, wie das Paket letztlich aussehen wird. Es besteht jedoch durchaus Hoffnung, dass hier massive Verbesserungen der Förderungen zu einem zusätzlichen Schub an Projekten führen wird.

 

Selbstverständlich kann dieser Schub nur dann eintreten, wenn seitens der Regierung auch in den Verfahren entsprechende Maßnahmen gesetzt werden, die eine rasche und effiziente Umsetzung ermöglichen. Hinzuweisen ist freilich auch darauf, dass insbesondere für Wind- und Wasserkraftstandorte derzeit sehr strenge Regulierungen bestehen. Ob mit den derzeit möglichen Standorten das geplante Potential erreicht werden kann, erscheint fraglich.

 

Die Ökostromförderungen sollen jedoch nicht alleine großen Unternehmen zu Gute kommen. Insbesondere im Bereich der Photovoltaik ist die Ermöglichung von Erzeugungsgemeinschaften angedacht. Hier soll in kleineren Kreisen die Möglichkeit geschaffen werden, gemeinsam (etwa im Rahmen eines Eigentumshauses) eine Photovoltaikanlage zu installieren, die allen Beteiligten zu Gute kommt. Hier bedarf es neben öffentlich rechtlichen Erleichterungen auch zivilrechtlichen Anpassungen, die derartigen Gesellschaften eine einfachere Umsetzung ermöglichen.

 

  1. Weiterentwicklung des Energieeffizienzgesetzes

Die geplante Weiterentwicklung soll im Wesentlichen durch eine Verschärfung, erfolgen. So ist etwa die Reduktion der tatsächlich anrechenbaren Maßnahmen und eine Ausdehnung der Energieaudits auf einen größeren Kreis von Unternehmen geplant. Auch hier ist mit deutlich höheren Kosten für Unternehmen zu rechnen.

 

  1. Versorgungs- und Netzsicherheit gewährleisten

Erfreulich ist der Umstand, dass seitens der Bundesregierung erkannt wurde, dass ein Ausbau von erneuerbaren Energien auch eine Verstärkung der Netzleistungen bedarf. Aufgrund der teils sehr volatilen Erzeugung ist das geplante Ziel einer vollständigen Versorgung aus erneuerbaren Energieträgern nur dann möglich, wenn die Energienetze entsprechend ausgebaut werden. Hier sieht das Regierungsprogramm die Prüfung von Erleichterungen im Starkstromwegerecht für Erweiterungen und Änderungen bereits bestehender Leitungen vor. Erforderlich wären derartige Erleichterungen ergänzend auch für den Neubau von Leitungen.

 

Geplant ist weiters, einen „Österreichischen integrierten Netzinfrastrukturplan“ zu entwickeln, der die strategische Energieplanung mit Ländern und Gemeinden sowie Wirtschaft sicherstellen soll. Gerade die großen Leitungsprojekte haben in der Vergangenheit gezeigt, dass hier Partikularinteressen den dringend notwendigen Netzausbau deutlich erschweren. Durch einen derartigen Plan, der – soweit vorgesehen – keine Verbesserung bringt, ist dieser Ausbau jedoch nicht gewährleistet. Günstig wäre es zudem, neben den Stromleitungen auch Verbesserungen für Fernwärmeleitungen vorzusehen, dies wurde verabsäumt.

 

  1. Sonstige Themen

Weitere Themen sind

  • Förderung der Kreislaufwirtschaft
  • Reparatur vor Neukauf
  • Erhaltung der Artenvielfalt
  • Vermeidung der „Privatisierung“ von Wasser
  • Verbesserung der Luftreinhaltung
  • „Lärmschutzoffensive“ Straße
  • Schutz von „Dunkelgebieten
  • Reduktion des Bodenverbrauchs

All diese Punkte können mehr oder weniger starke Auswirkungen auf Unternehmen haben. Es bleibt abzuwarten, wie die Umsetzung dieser Punkte erfolgen wird.