Heid & Partner analysieren das Regierungsprogramm 2020-2024 aus Sicht des Vergaberechts

Die „nachhaltige öffentliche Vergabe sicherstellen“ lautet es bereits im ersten Kapitel zum Thema „Verfassung, Verwaltung & Transparenz“. Geplant ist die „Einführung von ökosozialen Vergabekriterien, die bindend für die bundesweite Beschaffung sind“. Als Unterpunkte soll es daher zu einem „Einsatz für eine Stärkung der Regionalität im Rahmen EU-rechtlicher Vergaberichtlinien“ kommen sowie „im Sinne des beschlossenen Bestbieterprinzips der Fokus auf Qualitätskriterien gelegt werden“.

Unklar bleibt dabei, ob die angesprochenen „ökosozialen Vergabekriterien“ im Rahmen von – bereits  bestehenden – allgemeinen Vergabegrundsätzen (siehe § 20 BVergG), wie etwa dem Bekenntnis zur „umweltgerechten Leistung“ bzw zur „Berücksichtigung ökologischer Aspekte“ (Abs 5) sowie „zur Umsetzung sozialpolitischer Belange“ (Abs 6), alles jeweils auf Ebene von Leistungsbeschreibung, technischen Spezifikationen, Zuschlagskriterien oder Leistungsvertrag, umgesetzt werden sollen. Das wäre nur ein Minimalkonsens in der bisherigen Tradition programmatischer Vergabebestimmungen, der für die Praxis wenig Greifbares bringt. Die „bundesweite Bindung“ an ökosoziale Vergabekriterien könnte aber auch viel tiefgreifender, bishin zur Vorgabe verbindlicher Emission- und Schadstoffgrenzen bei der öffentlichen Beschaffung (nicht nur wie bisher zB bei der Umsetzung der „clean car“ – Richtlinie in § 94 BVergG) oder verpflichtender Berücksichtigung von Lebenszykluskosten beim öffentlichen Einkauf führen. Für die härtere Gangart spricht der Verweis im Unterpunkt auf das bereits „beschlossene Bestbieterprinzip“, vielmehr aber noch die Ausführungen im Kapitel „Wirtschaft & Finanzen“ unter dem Titel „Ökologisierung vorantreiben“ (dazu sogleich).

  • Die Bundesregierung wird das Vergaberecht als wichtiges Instrument zur Bekämpfung des Klimawandels nutzen. Dazu ist das Bestbieterprinzip um verbindliche ökologische Kriterien für die angebotenen Produkte und Dienstleistungen zu erweitern (zB öffentliche Bautätigkeit)“. Und weiter im Kapitel „Klimaschutz & Energie“ lautet es: „Paradigmenwechsel vom Billigstbieter zum Bestbieter sowie Total Cost of Ownership (TCO)“. Wenn man diese Ansage ernst nimmt, so dürfte das – erst mit der umkämpften BVergG-Novelle 2015 – erweiterte Bestbieterprinzip vor einer neuerlichen (umfassenden) Ausweitung Mildernd könnte sich in der Praxis allerdings der Umstand auswirken, dass in der österreichischen Terminologie nicht nur dann von einem „Bestbieter“ gesprochen wird, wenn dieser im Rahmen der Zuschlagskriterien neben dem Preis anhand von Qualitätskriterien ermittelt wurde, sondern auch dann, wenn Qualitätskriterien bei der Leistungsbeschreibung, bei technischen Spezifikationen oder im Leistungsvertrag Berücksichtigung finden (sogenannter „horizontaler Bestbieter“ gemäß § 90 Abs 6 BVergG).
  • Die geplante Abschaffung des Amtsgeheimnisses bzw der Amtsverschwiegenheit wird auch Auswirkungen auf das Vergaberecht haben, zumal auch „Verträge ab einem festzulegenden Schwellenwert“ der neuen Pflicht zur aktiven Informationsveröffentlichung unterliegen sollen. Dies kann mit den Bestimmungen zum Schutz der Vertraulichkeit von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, die ein öffentlicher Auftraggeber gegenüber den privaten Unternehmen zu gewährleisten hat (so § 27 Abs 2 BVergG) kollidieren, wobei bereits das Regierungsprogramm das großzügig formulierte (und bei den Landesverwaltungsgerichten einklagbare!) Informationsrecht ein paar Absätze später wieder einschränkt, wenn die Geheimhaltung erforderlich und verhältnismäßig ist, zB „zur Wahrung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen, sofern diese durch innerstaatliches oder EU-Recht geschützt sind“. Was bleibt, ist wohl eine neue Austarierung dieser gegensätzlichen Standpunkte im Rahmen der richterlichen Interessenabwägung zu Gunsten des Grundsatzes „im Zweifel eher mehr an Information“.
  • Im Kapitel „Verkehr & Infrastruktur“ erfolgt zunächst im Zusammenhang mit einer „Öffi-Milliarde“ jeweils in den Bereichen Nah- und Regionalverkehr  ein Bekenntnis zu den ÖBB als „wichtiges Instrument der Verkehrspolitik“, dies allerdings nachfolgend mit dem Hinweis verbunden, dass sich die ÖBB „auf die bevorstehende europaweite Liberalisierung des Bahnverkehrs und die damit verbundene wettbewerbliche Vergabe von Leistungen vorbereiten“. „Noch mögliche Direktvergaben sind nur unter der Voraussetzung der Marktkonformität der Vergabebedingungen zulässig“. Letzteres war gerade in jüngerer Vergangenheit Gegenstand zahlreicher Nachprüfungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

In der Praxis ohnedies bereits mehrheitlich angewandt, wird das „Bestbieterprinzip inklusive Anwendung von Qualitäts- und Sozialkriterien bei regionalen Ausschreibungen im Busverkehr“ gefordert. Nicht zuletzt werden auch organisatorische Veränderungen im Bestellvorgang von Verkehrsdienstleistungen angekündigt: „Etablierung einer gemeinsamen Bestellorganisation, die als Servicestelle für den Bund, die Bundesländer und die Verkehrsbünde zur Verfügung steht, um Synergien zu nutzen und Beschaffungskosten zu minimieren sowie zu einer abgestimmten Planung von Bahn- und Busverkehrsausschreibungen zu kommen.“

  • Im Kapitel „Digitalisierung & Innovation“ wird eine IT-Konsolidierung bestehender Bundessysteme angestrebt, „zB Verankerung des Einsatzes des ELAKs im E-GovG, einheitlicher IT-Arbeitsplatz und einheitliches E-Mail-System im Bund.“ Dazu sollen „Konsolidierungs- und Optimierungsmöglichkeiten durch „Bundes- Cloud“, die gemeinsame Beschaffung von Hard- und Software im Bund und ein einheitliches Lizenzmanagement“ erfolgen. Zur Stärkung von „Green-IT“ im Bundesbereich sollen „Nachhaltigkeitskriterien sowie EU-rechtliche Vorgaben zu Datenschutz durch Technik-Gestaltung und datenschutzfreundliche Voreinstellungen in Vergabeverfahren insbesondere im Bereich IT (Hardware, Software, Dienstleistungen) berücksichtigt werden.“  Auf organisatorischer Ebene wird eine verstärkte Zusammenarbeit des Bundesrechenzentrums (BRZ) und der Statistik Austria angestrebt sowie die Weiterentwicklung des BRZ in ein Kompetenzzentrum für Digitalisierung in der Bundesverwaltung angekündigt. Darüber hinaus werden der Auftrag und die Wirkungsentfaltung der innovationsfördernden öffentlichen Beschaffung evaluiert. Das Leitkonzept für eine innovationsfördernde öffentliche Beschaffung in Österreich wird aktualisiert und die Aufgaben der Servicestelle „Innovationsfördernde öffentliche Beschaffung“ (IÖB) wird den aktuellen Herausforderungen angepasst.
  • Und auch diese Themen finden sich weiters im Regierungsprogramm:
    • Stärkung von „Verwaltungskooperationen“ iSd § 10 Abs 3 BVergG (zB im Bereich IT, Gebäudemanagement), insbesondere auch auf Gemeindeebene (Abschaffung der Umsatzsteuerpflicht).
    • Building Information Modelling (BIM) soll verstärkt in der öffentlichen Beschaffung berücksichtigt werden.
    • Der Bürokratieabbau im Vergabeverfahren (unter Berücksichtigung des Bestbieterprinzips) soll allgemein vorangetrieben werden.
    • Der öffentliche Fuhrpark wird Vorbild für alternative Antriebstechnologien: So rasch wie möglich (wenn möglich schon ab 2022) wird die Beschaffung von emissionsfrei betriebenen Fahrzeugen durch die öffentliche Hand zum Standard, die Beschaffung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren wird zur Ausnahme und muss begründet werden.
    • Ziel bei der Lebensmittelbeschaffung ist eine 100% regionale und saisonale Beschaffung in Verbindung mit einer Bio-Quote von 30% bis 2025 und 55% bis 2030.
    • Überarbeitung und Aktualisierung des „Aktionsplan nachhaltige öffentliche Beschaffung“, dessen Anwendung für Beschaffungsvorgänge verbindlich ist und evaluiert wird.
    • Überlegungen zur Sicherung der Arzneimittelversorgung, zB gemeinsamer Einkauf.
    • Verlängerung der Schwellenwerte-Verordnung und Prüfung der Anhebung der Schwellenwerte im Sinne der Förderung der regionalen und ökosozialen Marktwirtschaft.

Hier geht es zum Regierungsprogramm

www.dieneuevolkspartei.at

www.gruene.at